Hallo Briefkasten,
(zum Leserbrief „Über
Thailand lacht die ganze Welt“). Ich kann mich nicht erinnern, in Eurer
Zeitung einen so dummalbernen, ja höchst bösartigen und diskriminierenden
Leserbrief vorgefunden zu haben, der nicht widerspruchslos bleiben darf. Der
Verfasser, Herr Hühnesthal, meint, es sei „wirklich fast nicht mehr zum
Aushalten in diesem Land“. Was er danach noch von sich gibt über die „echt
demokratische Regierung“, dessen Ministerpräsident „nicht korrupt“ ist,
belegt die Einfältigkeit des Briefschreibers.
Gleichzeitig behauptet
er, die Anhänger des (durch einen Militärputsch!) gestürzten Ex-Ministerpräsidenten
Thaksin erhielten 1.000 bis 2.000 Baht für ihre Teilnahme an den
Demonstrationen und gipfelte in der Selbstdichtung „so hörte man von einigen
dieser Leute“. War Herr Hühnesthal bei der Demo dabei, wo „man“ ihm das
gesagt hat? Um seine Eigendichtung noch komplett zu machen, schreibt er,
Thaksin habe „einen kambodschanischen Namen angenommen und eine Insel in
Europa gekauft“. Hat Thaksin die hochverschuldete Insel gekauft, um die EU
finanziell zu entlasten?
Seit meiner Heirat vor
23 Jahren mit einer thailändischen Staatsbürgerin – wir haben jetzt eine
20-jährige Tochter, die sowohl in Deutschland als auch in Thailand zur
Schule ging und jetzt in Deutschland ihr Studium aufgenommen hat –, lebe ich
in beiden Ländern. So hatte ich bisher die Gelegenheit, die Sonnen- als auch
die Schattenseiten kennen zu lernen.
Da ich allseitig
politisch sehr interessiert bin, erlaube ich mir auch viel Kritik. Dazu
gehört z. B. die in Thailand von den Behörden praktizierte Familienpolitik
gegenüber deutsch-thailändischen Familien. Im Gegensatz zu Deutschland ist
diese thailändische Behördenpraxis diskriminierend! Das ist der Grund, warum
ich meinen Hauptwohnsitz wieder in Deutschland habe.
Was hingegen für
Thailand ein Segens- und Glücksfall ist, hat mich als überzeugter Demokrat
und Republikaner zu einem Verehrer König Bhumibols gemacht. Ohne diesen
klugen König und seinem Wirken für die Menschen dieses Landes wäre Thailand
– und das ist meine feste Überzeugung – heute eine Militärdiktatur von
Chinas und/oder US-Amerikas Gnaden. Ob wir als Ausländer dann in diesem Land
leben wollten?
Herrn Hühnesthal
scheint offenbar nicht bekannt zu sein, unter welchen Bedingungen mit klaren
Mehrheiten in demokratischen Wahlen von Thailands Bürgern Thaksin gewählt
wurde. Was vor Thaksin als auch mit und nach ihm geblieben ist, ist die
Korruption von den Ober- bis in die Unterschichten hinein. So ist es nicht
verwunderlich, dass, kaum im Amt, Beamte, Politikerinnen und Politiker, in
kurzer Zeit vermögend werden.
Zu Thaksin gab es
einen „kleinen Unterschied“. Er war schon reich vor seiner Ministerzeit. Die
Menschen Thailands hofften auf Thaksins Versprechen, in diesem Land endlich
mit möglichen Reformen zu beginnen, die alle seine Vorgänger ausnahmslos
nicht einmal ansatzweise versuchten zu beginnen.
Nachfolgend möchte ich
nur zwei Beispiele aufgreifen. Da ist zunächst die überfällige
Gesundheitsreform, um die selbst in den USA Präsident Obama Kopf und Kragen
riskieren musste. Sicher, die 30-Baht-Versicherung ist nicht das Gelbe vom
Ei, jedoch eine Mindestabsicherung auch für die Ärmsten der Armen, die jetzt
einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Behandlung in einer staatlichen Klinik
oder Ambulanz haben.
Anderes Beispiel: Wer
Geld hatte, bekam vor Thaksin mindestens 10 bis 15 Prozent Zins bei einem
normalen Girokonto. Wer aber Geld brauchte, um sich einen besonderen Wunsch
zu erfüllen, musste bei einer Bank 17 bis 25 Prozent Zins zahlen.
Nach Thaksin rutschten
die Guthabenzinsen auf maximal 2,5 Prozent, die Schuldzinsen auf zwischen
2,5 und 6 Prozent. Ich lernte in den letzten Jahren eine ganze Reihe Farangs
kennen, die genauso wie eine Reihe von vermögenden Thais über diese
Entwicklung jammerten. Von deutscher Seite hörte ich sogar den Vorwurf, dass
sie jetzt nur ganz geringe – wenn überhaupt – Zinsen bekommen, sei „Beweis
für die ausländerfeindliche Politik der Thaksin-Regierung“.
Ich kann es zwar nicht
einwandfrei belegen, aber anzunehmen ist, dass die von der Thaksin-Regierung
in deren zweiter Amtszeit durchgeführte vorzeitige Entschuldung aus der
Südostasienkrise so ermöglicht wurde, ohne dass die Armen die Leidtragenden
wurden.
Und nun, um bei
Hühnesthals Formulierung zu bleiben „wieder in normale Gefilde, in eine
anständige Gegend mit anständigen Menschen“. Das ist ja toll: Dort gibt es
keine Korruption, gehören keine Politiker hinter Schloss und Riegel.
Bereits zur
Adenauerzeit blühte z. B. bei der „Entnazifizierung“ die Korruption, als „Persilscheine“
Naziverbrecher auf freien Fuß brachten. Sie setzt sich fort durch einen
adligen Politiker (Graf Lambsdorff) bis zum gescheiterten Misstrauensvotum
gegen Willy Brandt, um die Anerkennung der Grenzen zu Polen zu verhindern;
und später, als es gegen Helmut Schmidt klappte, nachdem offenbar mehr
Gelder und Ämter wirkten.
Dann das „Ehrenwort“
zuvor, die „jüdischen Hinterlassenschaften“ dienten nur der Geldwäsche. Es
geht weiter auf der anderen politischen Seite Deutschlands:
Nuttenbeschaffungen für VW-Betriebsräte durch einen Herrn Hartz, der danach
entschied, wie das Heer der Arbeitslosen zu leben hat. Einer seiner
politischen Vollstrecker ist heute im Gasgeschäft tätig, der andere lebt
abgeschirmt – damit kein „Grüner“ ihm ein faules Ei mehr nachwerfen kann –
in einer Berliner Nobelvilla.
Inzwischen hat der BHG
einen Teil dieser politischen Hinterlassenschaften als verfassungswidrig
eingestuft. Zu diesen feinen Politikern gesellt sich noch ein Ex-Gewerkschaftsboss,
der mit der „Riester-Rente“ dafür sorgt, dass die Versicherungswirtschaft
auf Kosten der künftigen Rentnergeneration sich jetzt bereichern kann. Damit
der Namensgeber jetzt nicht darben muss, werden zu den Pensionen als
Gewerkschaftsboss und Minister Courtagen fällig, die man so nicht nennen
darf, sondern Vortragsvergütungen zwischen fünf- und zehntausend Euro.
Dafür hat nun ein Heer
von Banken- und Versicherungsvertretern in Deutschland das Recht, einen von
Herrn Riester persönlich unterschriebenes Dokument wie einen Meisterbrief
über ihren Schreibtisch zu hängen.
Abschließend nochmals
zum Thema Thailand. Wer bei aller berechtigten und unberechtigten Kritik die
Mentalität und die Liebe der thailändischen Menschen zu ihrem Land kennt,
kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass es zu gegebener Zeit zu einer
Aussöhnung beider Seiten kommt. Dieses Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen,
wünscht sich kein politisch Verantwortlicher.
Das
Demonstrationsrecht bringt wie in Europa auch in großen Städten den Verkehr
oft zum Erliegen. Das ist aber weit besser als eine Militärdiktatur, die
auch kein Heilmittel gegen die weltweite Korruption, Vetternwirtschaft und
Massenverblödung ist.
Wolfgang Schmidt, Sriracha