Franz Schmid
Ist Thailand
inzwischen schon ein anderer Staat geworden? Was sich auf den Straßen Thailands
in den letzten Wochen zugetragen hat, lässt nicht nur auswärtige Beobachter den
Kopf schütteln.
Das größte
Geschäfts- und Hotelviertel Bangkoks wird von Demonstranten besetzt,
die ihre eigenen Regeln aufstellen, nach Belieben Passanten und
Verkehrsteilnehmer durchsuchen und Sabotageakte begehen. Die
Ordnungskräfte, gemeint ist in erster Linie die Polizei, schauen
tatenlos zu. Es scheint, der Staat hat sein Gewaltmonopol schon
lange abgegeben, der Mob gibt den Ton an. Mindestens 26 Personen
mussten bisher bei Ausschreitungen ihr Leben lassen, über 1.000
wurden verletzt.
Das zeigt
allzu deutlich die Führungsschwäche der Polizeiführung. Oder will
sie vielleicht gar nicht reagieren? Will die Polizei vielleicht
nicht auf der Verliererseite stehen, wenn sich die politischen
Gegebenheiten ändern? Sie kann ja schlecht Leute verhaften, die
vielleicht später einmal den Staat regieren. Diese Zögerlichkeit
gibt Anlass, einmal darüber nachzudenken, in welche Strukturen die
Polizei eingebunden ist oder glaubt, eingebunden zu sein.
Die Polizei
ist in einigen Provinzen sogar so weit gegangen, die Rothemden über
geplante Verschiebungen von Einheiten zu informieren. Die
Demonstranten haben darauf reagiert und die entsprechenden
Wagenkolonnen gestoppt. Es wird sogar berichtet, dass dabei
Polizisten und Rothemden derart freundlich miteinander umgegangen
sind, dass man schon fast von Verbrüderung sprechen kann. Einige
Polizisten sind allerdings von Demonstranten erstmal bis auf
Weiteres „verhaftet“ worden. Verkehrte Welt!
All das zeigt,
dass der thailändische Staat in wichtigen Bereichen wie innerer
Sicherheit nicht mehr funktionsfähig ist. Aber der Ruf nach
Kriegsrecht durch die Gelbhemden mag für viele kein gangbarer Weg
sein, aber die Idee findet immer mehr Anklang. Vor allem bei Bürgern,
die der Willkür der Rothemden ausgesetzt wurden. Beispiel: eine
Ärztin aus Udon Thani wurde mitten in der Nacht von Rothemden mit
ihrem Auto angehalten und durchsucht. Grund: das Auto hatte ein
Bangkoker Nummernschild.
Wenn das
Trauerspiel ein Ende haben soll, muss gehandelt werden. So oder so,
Thailand wird nicht mehr der Staat sein, wie wir ihn kennen. Er hat
sich längst verändert. Gruppen unterschiedlichster Couleur haben
bereits das Heft in die Hand genommen. Das sind einmal diejenigen,
die man auf den Straßen sieht, und dann diejenigen, die sich bisher
im Hintergrund gehalten haben. Anzunehmen ist, dass auch neue
Staatskonzepte vorgestellt werden, die die bisherige Hackordnung in
Frage stellen. Beispielsweise sind schon Forderungen laut geworden,
die gesamte Polizei aufzulösen, da sie selbst bewiesen hat, dass sie
mehr oder weniger überflüssig bei der Sicherung des inneren Friedens
geworden ist.
Die Mehrheit
der Menschen wünscht sich ein Ende des Trauerspiels. Es scheint
jedoch, dass noch viele Akte folgen werden.