Ein besseres Thailand?

Franz Schmid

Waren die Massendemonstrationen der letzten Wochen wirklich ein Aufbegehren der benachteiligten Landbevölkerung oder führten hier Bauernopfer einen Stellvertreterkrieg gegen die so genannten Eliten in Bangkok? War das, was wir gesehen haben, letztendlich ein Machtkampf zwischen neuen und alten Eliten?

Die Demonstrationen in Bangkok richteten sich gegen die Zentralregierung. Der thailändische Staat ist zentralistisch aufgebaut, die Provinzen haben kaum oder gar kein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen. Diese Staatstruktur mag mit ein Grund für die Protes­te sein. Eine ähnliche Situation finden wir auch in den von Unruhen geschüttelten Südprovinzen vor. Die Menschen wollen einfach mehr an Entscheidungen beteiligt sein. Das bedeutet jedoch auch, mehr Verantwortung zu übernehmen. Inwieweit ist die Mehrheit der Bevölkerung dazu bereit?

Die thailändische Gesellschaft ist strukturell von oben nach unten aufgebaut. Merkwürdigerweise kennt jeder seinen Platz in dieser Hackordnung. Die Missachtung dieser Ordnung wird gesellschaftlich geahndet. Von einem Land der Freien kann daher nur in beschränktem Maße die Rede sein. Jeder verteidigt seine gesellschaftliche Position, Freiheiten in einer demokratischen Ordnung bedeuten jedoch etwas anderes.

Es bedeutet vor allem, die Meinung anderer zu respektieren. Eine Demokratie lebt von Kompromissen und von Überzeugungskraft. In Thailand haben bisher die Eliten den Ton angegeben. Das wird auch weiterhin so bleiben, wenn sich nichts Entscheidendes ändert. Herumbasteln an der Verfassung löst Probleme nur kurzfristig, wie man gesehen hat.

In der Geschichte ist es schon häufig passiert, dass die Revolution ihre eigenen Kinder frisst. Auch der Aufstand der Rothemden hat Machtpositionen verschoben. Der geistige Anführer der Rothemden, der ehemalige, flüchtige Premierminister Thaksin Shinawatra, hält sich bemerkenswerterweise im Hintergrund. Kann er sein Ziel erreichen, sein Vermögen zurückzubekommen? Schwierig zu sagen, da die Anführer vor Ort von der Macht gekos­tet haben. Sie werden ihre errungene Position nicht abgeben wollen, sie sind in die Hackordnung eingebunden, Thaksin nicht.

Der von Premierminister Abhisit vorgelegte Ver­söhnungsplan lässt alle Beteiligten das Gesicht wahren. Jeder bekommt etwas: die Rothemden, die Armee und die Regierungstreuen, keiner hat das Gesicht verloren. Ob der Plan wirklich dazu führt, das Land zu beruhigen, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall könnte eine gewisse Ruhe einkehren, die zur Vorbereitung von Neuwahlen unbedingt notwendig ist.

Die neuen Führer nach Neuwahlen werden es schwer haben, die hochgeschraubten Erwartungen zu erfüllen. Der Geist ist längst aus der Flasche, und niemand wird ihn zurückbringen. Die Hoffnung bleibt, dass dieser Geist der Vetternwirtschaft, der allgegenwärtigen Korruption und dem weitverbreiteten Stimmenkauf ein Ende bereitet – was allerdings in der momentanen Situation äußerst zu bezweifeln ist. Sollte ihm das gelingen, ist es vorstellbar, dass wir ein anderes Thailand bekommen als wir es kannten: ein besseres.