Dr. Claus Rink Geowissenschaftler und Sonderkorrespondent der Pattaya Mail
Group
Teil
2: Der Verkauf unserer Zukunft
„Sensible Ökosysteme“
- ein Ausdruck, der in den letzten Jahren für alles und jedes herhalten
musste. Nun taucht er wieder auf, dramatischer denn je, einprägsamer durch
Bilder, die fast schon in Vergessenheit gerieten. Sterbende Tiere, die
qualvoll durch das hochtoxische Rohöl ums Leben kommen und Menschen, die
sich jetzt schon darüber bewusst sind, dass ihre Zukunft mit dem Untergang
der Erdölplattform verkauft wurde.
Etwa zwei Drittel der
Gewässer vor der Küste Floridas sind mittlerweile für den Fischfang gesperrt
und stehen damit der Fischereiwirtschaft nicht mehr zur Verfügung. Neben
Ausfällen in Höhe von mehreren Millionen Dollar für die Fischer, was
normalerweise zum Ruin der alteingesessenen Fischereiwirtschaft führt, haben
wir nun das Problem des Aussterbens von etwa 400 verschiedenen Tierarten.
„Nun gut“, wird mancher sagen, „nicht schön, aber es gibt Schlimmeres“. Weit
gefehlt, da die gesamte Fauna und Flora eben in einem sensiblen Ökosystem
miteinander in Verbindung steht und bei Ausfall nur einiger Arten das
gesamte System zerstört wird. „Das Öl nimmt den Mangroven buchstäblich die
Luft zum Atmen. Wenn die Luft- und Stelzwurzeln verkleben, sterben die
Pflanzen ab“, erklärt Alfred Schumm, Leiter des Internationalen WWF-Zentrums
für Meeresschutz.
Die Meeresströmungen auf der Erde.
Man erkennt, es gibt keine „abgetrennten Zimmer“.
„Nun gut, es werden
neue Pflanzen und Tierarten kommen“, werden viele argumentieren. Leider ist
dieser Prozess aber irreversibel, und wir kennen die Auswirkungen und großen
Schäden aus der Exxon-Valdez-Katastrophe 1989 vor Alaska, wo 40.000 Liter
Rohöl ausliefen. Die Schäden auf 2.000 km Strand sind bis heute nicht
behoben.
Im Golf von Mexiko
sprechen wir von etwa 10 Millionen Liter täglich (Aussage USGS). Auch wenn
man relativ uninteressiert an ökologischen Zusammenhängen sein sollte, weil
sich dies ja sehr weit entfernt abspielt, gilt es zu bedenken, dass unser
Planet nicht aus verschiedenen Zimmern besteht, die abgetrennt sind, sondern
alle Zimmer sind miteinander verbunden. Die gesamte Nachwuchsgeneration der
Lebewesen im Golf von Mexiko ist nun in Frage gestellt.
Das heißt, dass
beispielsweise die Kleinstlebewesen in den Mangrovenwäldern von Florida - im
übrigen den Mangrovenwäldern von Thailand sehr ähnlich -, das Öl in tiefere
Schichten bringen und dort den Wurzelraum der Mangroven verklebt, wodurch
kein Sauerstoff mehr in den Stamm transportiert wird. Damit sterben die
Mangrovenwälder ab, und selbst für die Nichtökologen dürfte dies eine in
Zahlen und Geld darstellbare Krisensituation geben, da die Mangrovenwälder
das Hinterland vor Sturmfluten schützen, die Auswirkung auch von Hurrikanes
stark abgemildert wird. Dies würde komplett wegfallen. Große Rückversicherer
sprechen dann von Schäden im dreistelligen Milliarden Dollar Bereich.
Ein weiterer Punkt ist
die Tourismusindustrie in Florida. Etwa 60 Mrd. Dollar werden hier in den
Nationalparks und an den Stränden durch Urlauber umgesetzt, etwa 1 Million
Arbeitsplätze sind gefährdet.
Warum in Florida, wo
doch der Unfall weit entfernt vor der Küste von Louisiana passiert ist? Der
Grund ist der s ogenannte Gulf Loop, eine Meeresströmung , die das Öl zuerst
nach Florida und dann in den Golfstrom bringt. Mit einer Geschwindigkeit von
150 Kilometern pro Tag wird es in Richtung Nordosten driften. Leider sind
auch hier die Zimmer durchgängig, was bedeutet, dass das Öl langfristig auch
nach Europa kommen kann.