Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft

Franz Schmid

Kaum jemand bestreitet, dass das Schulwesen in Thailand reformbedürftig ist. Es hat schlichtweg versagt und ist den Anforderungen des 21. Jahrhunderts in keiner Weise gewachsen. Diese nicht neue Erkenntnis scheint sich aber erst jetzt durchzusetzen, da man vor dem Scherbenhaufen politischer Unruhen mit 90 Toten und fast 2.000 Verletzten steht. Leider musste es erst dazu kommen, bevor die Frage einer Schul- und Bildungsreform ernsthaft aufgeworfen wurde.

Eine französische Nachrichtenagentur brachte kürzlich einen Bericht über das Versagen des thailändischen Erziehungswesens. Danach beherrschten 80 Prozent von 84.000 interviewten Hochschullehrern und -direktoren nicht den Lehrstoff ihrer Fächer Mathematik, Biologie und Computerwissenschaften. Fast 95 Prozent von 37.000 Hauptschuldirektoren fielen bei Englisch und Technologie durch. Das Thema Geschichte war nicht Teil der Untersuchung, da dieses Fach seit 20 Jahren vom Lehrplan verschwunden ist. Je nach Gutdünken der damaligen Regierungen wurde die Geschichte des Landes so umgeschrieben, wie es in ihr jeweiliges Geschichtsbild passte.

Das wesentliche Merkmal des allgemeinen Schulsys­tems in Thailand ist das Auswendiglernen. Hinterfragen oder kritische Bemerkungen sind in diesem System nicht vorgesehen. Wie auch? Die Lehrerin oder der Lehrer wird von den Kindern mit einem „Wai“ bei Schulbeginn gegrüßt; damit steht die Hackordnung schon fest. Niemals würde es sich ein Rangniedriger wagen, die Worte oder Taten des Ranghöheren auch nur in leiseste Zweifel zu ziehen. Schon allein der Gedanke ist verwerfenswert.

Diese Art von Erziehung hat nicht nur ein einzigartiges Patronagesystem in diesem Königreich geschaffen, es hat eine beachtliche Mehrheit der Bevölkerung auch von vernünftiger Ausbildung abgehalten. Mit Absicht oder nicht, sei dahingestellt.

Eine Reform des Bildungswesens ist nicht einfach, da eingefahrene Strukturen aufgebrochen werden müssen. Ist das möglich und wo soll man beginnen? Eine Antwort, die vielleicht auf der Hand liegt, aber doch nicht so ganz richtig ist, lautet: in der Grundschule bzw. Vorschule. Doch die Erziehung von Kindern fängt im Elternhaus an. Dort werden die Grundlagen für Späteres gelegt. Sichtbar ist es daran, dass Kinder aus so genannten gebildeten Familien es leichter haben, ihren Weg bis zum Abitur oder Universitätsabschluss zu machen. Meist werden die Kinder aus solchen Familien schon von klein auf zur Selbstständigkeit angehalten.

Der Weg, die Menschen dahin zu bringen, etwas in Frage zu stellen – dazu gehört auch, sich selber in Frage zu stellen –, und die eigene Meinung ohne Furcht vor Zensur und Repressalien zu äußern, ist schmerzhaft und mit Stolpersteinen übersät. Doch für ein Land wie Thailand ist er unabdingbar. Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft. Wer ihn wegwirft, bleibt in der Vergangenheit gefangen.