Guido Roth
Südafrika
verpasst Fußball-Wunder
Gruppe A:
Im
letzten Spiel der Gastgeber sangen in Bloemfontein im Free-State-Stadion
48.000 südafrikanische Anhänger beim Abspielen ihrer Nationalhymne
mit, und an der Stelle „Gott, erhöre unsere Gebete“ wurde es
besonders laut, da Südafrika einen 4:0-Sieg über Frankreich für das
Weiterkommen benötigte. Frankreichs Trainer Domenech ließ nach den
Skandalen der letzten Tage Kapitän Evra auf der Bank und brachte
sechs neue Spieler.
Schon nach 20
Minuten ging Südafrika nach einem Torwartfehler von Lloris durch
Khumalo in Führung und nach weiteren 15 Minuten hieß es nach einem
Treffer von Mphela schon 2:0. Danach war es aber mit dem Beistand
von „ganz oben“ vorbei, Südafrika kassierte durch Malouda einen
Gegentreffer und verlor den Faden. Ribery bereitete übrigens diesen
Treffer schön vor und war auch sonst einer der besten Franzosen an
diesem Tag. Es blieb beim 2:1-Sieg für Südafrika, der am Ende aber
nicht reichte, ins Achtelfinale einzuziehen.
Die Plätze für
das Achtelfinale holten sich Uruguay und Mexiko, denen beide ein
Unentschieden gereicht hätte. Zu dem befürchteten „Nicht-Angriffspakt“
kam es aber nicht, sondern beide Teams zeigten ein erfrischendes
Fußballspiel, das am Ende Uruguay mit 1:0 gewann. Torschütze war der
in Ajax Amsterdam unter Vertrag stehende Suarez, der auch Hollands
Fußballer Jahres wurde.
Uruguay zieht
nach 20 Jahren wieder in ein Achtelfinale einer WM ein, und dies
ohne einen einzigen Gegentreffer.
Argentinien
mit blütenweißer Weste
Gruppe B:
Drei Spiele – drei Siege, so sah die Bilanz der Argentinier nach der
Vorrunde aus. Da konnten auch Ottos Griechen nichts daran ändern,
obwohl Maradona sieben Stammspieler schonte. Nicht geschont jedoch
wurde Superstar Messi, wobei Maradona wohl Ottos Worte erhörte.
Rehhagel: „Messi, solch ein Junge darf man der Welt nicht
vorenthalten.“
Messi aber
wurde von Ottos Griechen in Mannde-
ckung genommen, gegen jede Regel des modernen Fußballs. Aber die
Taktik zeigte sich lange Zeit als äußerst zuträglich, denn Messi war
mehr oder weniger „zugedeckt“, und Argentinien tat sich bis zur 78.
Minute schwer, ehe Bayerns Demichelis das 1:0 für die „Gauchos“
erzielte.
Als dann
Palermo nur zehn Minuten später auf 2:0 erhöhte, war Griechenland
endgültig draußen. Palermo (Boca Juniors), persönlicher Freund von
Maradona, spielt mit seinen 36 Jahren sein erstes WM-Spiel.
Zwei Tage nach
dem Spiel trat „König Otto“ nach neun Jahren als Nationaltrainer
Griechenlands zurück.
Südkorea
reichte gegen Nigeria ein 2:2, um Argentinien ins Achtelfinale zu
folgen. Nigeria ging, wie schon gegen Griechenland durch Uche (12.)
in Führung, gab danach aber das Ruder aus der Hand, und die Asiaten
gingen ihrerseits nach Treffern von Lee (38.) und Park (49.) in
Führung. Der 2:2-Ausgleich für Nigeria durch Aiyegbeni reichte nicht
mehr. Nur ein weiteres Tor für die Afrikaner hätte der Einzug ins
Achtelfinale bedeutet, doch wurden mit allergrößter Fahrlässigkeit
auch die besten Chancen ausgelassen.
Zittersiege
für England und die USA
Gruppe C:
Die
Ausgangsposition für England war klar: Nur ein Sieg über Slowenien
sichert den Achtelfinal-Einzug. Nach zwei kläglich schlechten
Spielen der Engländer war gegen Slowenien eine kleine
Leistungssteigerung erkennbar. Defoe erzielte in der ersten Hälfte
die Führung für die „Tree Lions“. Doch mit zunehmender Spieldauer
unterließ England immer mehr die Angriffsbemühungen und musste in
der Schlussphase bange Minuten überstehen.
Mit Mühe
zitterten sie den 1:0-Sieg über die Runden. Torschütze Defoe aus
Tottenham wurde fünf Minuten vor Schluss wieder ausgewechselt und
wartet nunmehr seit 42 Länderspielen darauf, ein Spiel über 90
Minuten zu bestreiten.
Sloweniens
Stürmer Novakovic, in Köln unter Vertrag, war sicherlich der Stürmer
im gesamten WM-Turnier, der sich am wenigsten und vor allem am
langsamsten bewegte. Auch war es ihm offensichtlich zu schnöde, in
irgendeinen Zweikampf zu gehen und hielt sich durchweg vornehm
zurück.
Beim Spiel USA
gegen Algerien stand es bis zur dritten Minute der Nachspielzeit
0:0, und mit diesem Ergebnis wäre Slowenien ins Achtelfinale
eingezogen. Doch dann traf Sekunden vor Schluss Amerikas
Ausnahmefußballer Donovan zum 1:0, und plötzlich war die USA nicht
nur weiter, sondern auch noch Gruppenerster vor England. Die USA
gewannen ihr Spiel hoch verdient, wurde ihnen doch, wie schon im
Spiel gegen Slowenien, ein reguläres Tor durch Demsey aberkannt.
Özil
schießt Deutschland ins Achtelfinale
Gruppe D:
Nur mit einem Sieg gegen Ghana konnte Deutschland sicher ins
Achtelfinale einziehen. Im Soccer-City-Stadion in Johannesburg, mit
einem Fassungsvermögen von 90.000 Zuschauern größtes WM-Stadion,
lief Cacau für den gesperrten Klose auf und Boateng für den zuletzt
schwächelnden Badstuber. Mit Sarpei, Leverkusen, und Tagoe,
Hoffenheim, bot Ghana zwei Bundesliga-Spieler auf.
Der Druck, der
auf den jungen deutschen Spieler lastete, lähmte das Spiel deutlich.
Sie zeigten sich verkrampft und gehemmt. Zahlreiche Fehlpässe, zum
Teil Fußball aus dem Stand und eine unsichere Abwehr prägten die
Anfangsphase. In der 25. Minute hatte dann Özil die ganz große
Möglichkeit völlig frei vor dem Tor Deutschland in Führung zu
bringen. Doch der Bremer brachte nicht mehr als ein schwaches
Schüsschen, genau auf Ghanas Torhüter gezielt, zustande. Die
Verunsicherung blieb weiter, und besonders Mertesacker wurde immer
wackeliger.
In der 60.
Minute atmete dann ganz Fußball-Deutschland auf, als Özil den Ball
aus 20 Meter im Tor unterbrachte und mit diesem Treffer das Team ins
Achtelfinale schoss.
Torwart Neuer
war Deutschlands Bester und rettete mehrfach in brenzligen
Situationen. Cacau dagegen konnte seine Chance nicht nutzen und
tauchte oft unter.
Im zweiten
Spiel dieser Gruppe schlug Australien Serbien mit 2:1, was den „Socceroos“
jedoch nicht reichte, Ghana vom zweiten Gruppenplatz zu verdrängen
und sie, ebenso wie Serbien, die Heimreise antreten mussten.
Arrivederci
Italia – der Weltmeister
ist draußen
Gruppe E:
Alle vier Teams dieser Gruppe konnte sich noch am letzten Spieltag
für das Achtelfinale qualifizieren. Auch die Slowakei, die mit dem
1:1 gegen Neuseeland und dem 0:2 gegen Paraguay zwei
grottenschlechte Spiele zeigte. Für Weltmeister Italien eine
vermeintlich leichte Aufgabe.
Doch dann
stellte Vladimir Weiss sein Team, entgegen allen Vermutungen, völlig
offensiv auf und brachte erstmals mit Jendrisek (Neu-Schalker) und
Vittek (Ex-Nürnberger) zwei Angreifer. Die Defensive bildete mit
Durica (Hannover), Pekarik (Wolfsburg) und Zabavnik (Mainz) eine
fast rein „deutsche“ Abwehr. Im Team von Italien und auch im
gesamten Kader standen nur Spieler aus der eigenen Liga.
Um es vorweg
zu nehmen: Die Slowakei lieferte gegen den Weltmeister ein Spiel im
Stile einer Weltklasse-Mannschaft ab. Bedingungslose Offensive
schockte die Italiener, die zunächst kaum über die Mittellinie kamen.
Vittek erzielte nach 21 Minuten die slowakische Führung und erhöhte
in der 75. Minute gar auf 2:0 für den WM-Neuling. Erst dann wachte
die Lippi-Elf auf und begann Fußball zu spielen.
Nur fünf
Minuten später wurden sie durch den Anschlusstreffer durch Di Natale
belohnt. Die Schlussphase dieses Matches war mit Abstand das
Spannendste, was die WM bisher zu bieten hatte. Weiss brachte eine
Minute vor Schluss Kopunek, und der erzielte bei seinem ersten
Ballkontakt mit einem herrlichen Heber das 3:1 für die Slowaken.
Alles schien
gelaufen, als in der Nachspielzeit Quagliarella, ebenfalls mit
einem wunderschönen Schlenzer, wiederum der Anschlusstreffer
gelang. Italien warf alles nach vorne – die Slowakei wankte, fiel
aber nicht und rettete den sensationellen 3:2-Sieg gegen den
Weltmeister über die Zeit. Italien ist nach dieser historischen
Niederlage Gruppenletzter (!) und fährt nach Hause. Die Slowakei
dagegen, die ihren Heimflug schon für vergangenen Samstag gebucht
hatte, muss nun umbuchen.
Auf den
slowakischen Trainer Weiss wurde kein Pfifferling mehr gegeben, da
er zuvor in einer Pressekonferenz die Journalisten bei kritischen
Fragen auf das Übelste beleidigte und ihnen gar Prügel androhte. „Er
wird nach dem Turnier nicht mehr zu halten sein“, hieß es von
slowakischer Seite. Nach dem Spiel wurde jedoch er als
„Nationalheld“ hochgelobt, dem die Slowakei zu Hause ein Denkmal
setzen will.
Paraguay blieb
nach dem 0:0 gegen Neuseeland Gruppenerster. Neuseeland, das in
diesem Turnier keine einzige Niederlage kassierte, ist dagegen
ausgeschieden.
Japan
überrascht Dänemark und
die Fachwelt
Gruppe F:
Da die Niederlande bereits qualifiziert war, machten Japan und
Dänemark im direkten Duell den zweiten Achtelfinalisten in dieser
Gruppe aus. Japan trat schon zum dritten Mal in derselben
Anfangsformation an, doch diesmal mit ganz anderer Taktik. Die
Asiaten brannten gegen Dänemark ein nicht für möglich gehaltenes
Offensiv-Feuerwerk ab und verblüfften damit die Dänen dermaßen, so
dass diese schon nach 30 Minuten mit 0:2 zurücklagen.
Honda (17.)
und Endo (30.) verwandelten herrlich zwei direkte Freistöße für
Japan, das sich auch danach nicht zurückzog und weiterhin nach vorne
spielte. Erst ein zweifelhafter Elfmeter brachte die Dänen wieder
zurück ins Spiel. Kapitän Tomasson scheiterte zunächst am
japanischen Keeper, versenkte danach aber den Nachschuss. Kurz
danach machte Japan mit dem 3:1 den Sack endgültig zu. Ein wunderbar
herausgespielter Treffer vollendete Okazaki, nach brillanter
Vorarbeit von Honda, der bester Mann auf dem Feld war, und sicher
mit Angeboten aus Europa rechnen darf.
Dänemark war
Japan, vor allem in den Zweikämpfen, hoffnungslos unterlegen, hatte
keine Chance, richtig ins Spiel zu kommen und musste den Japaner den
hochverdienten Sieg überlassen.
Im zweiten
Spiel dieser Gruppe zwischen den Niederlanden, die zuvor schon das
Weiterkommen gesichert hatten, und Kamerun, das bereits
ausgeschieden war, endete 2:1 für die Niederlande. Nach seiner
Verletzungspause machte Robben sein erstes Spiel bei dieser WM und
bereitete den 2:1-Siegtreffer durch Huntelaar glänzend vor.
Brasilien
und
Portugal ohne Glanz ins Achtelfinale
Gruppe G:
Es
sollte ein richtiger Fußball-Leckerbissen werden, als mit Brasilien
die Nummer eins der FIFA-Rangliste auf Portugal, die Nummer drei,
traf. Brasilien musste auf den gesperrten Kaka verzichten. Für ihn
spielte Baptista vom AS Rom. Aus einem fußballerischen Highlight
wurde leider nichts, da nur Fußball-Magerkost serviert wurde. Ein
Spiel ohne Tempo und vor allem bei den Brasilianern ohne Raffinesse
und Genialität. Das Match plätscherte langweilig vor sich hin und am
Ende waren alle froh, als es vorbei war. Durch dieses unansehnliche
0:0 war Brasilien Gruppenerster und Portugal reichte der Punkt, um
ebenfalls weiter zu kommen.
Im zweiten
Spiel der Gruppe schlug Elfenbeinküste Nordkorea mit 3:0. Das Spiel
war fast bedeutungslos, da die Elfenbeinküste erstens auf eine
Niederlage Portugals hoffen und selbst eine Differenz von neun Toren
aufholen musste.
Spanien
trotz
Fehlstarts
Gruppenerster
Gruppe H:
Im letzten Gruppenspiel gegen Chile konnte sich Spanien kein
Unentschieden leisten und war zum Siegen verdammt. Nach 25 Minuten
war es schon soweit, als Chiles Torhüter Bravo einen spanischen
Konter unterbinden musste, hierzu weit aus seinem Tor eilte und den
Ball wieder ins Feld zurückprallen ließ. Villa stand goldrichtig und
schoss aus etwa 43 Metern ins leere Tor zum 1:0 ein. Noch vor der
Pause erzielte Iniesta mit einer feinen Einzelleistung das 2:0 für
die Spanier.
Am Rande
dieser Torszene gerieten, weit ab vom Geschehen, Torres und Estrada
unabsichtlich aneinander, so dass der Spanier stolperte und zu Boden
ging. Völlig überzogen reagierte danach der mexikanische
Schiedsrichter und zeigte dem Chilenen die Gelb-Rote Karte. Wieder
einmal eine absolut lächerliche Leistung einer der vielen
anscheinend WM-untauglichen Pfeifenmänner.
Kurz nach der
Pause konnte Chile durch Millar auf 1:2 verkürzen, hatte danach aber
mit nur zehn Mann nicht mehr die Kraft, den Ausgleich zu schaffen.
Für die
Südamerikaner ging es aber noch einmal gut und zogen trotz der
Niederlage ebenfalls ins Achtelfinale ein. Zu verdanken hatten sie
dies Honduras, das im parallel laufenden Spiel der Schweiz ein
Unentschieden abtrotzte. Siehe hierzu gesonderten Bericht.