Franz Schmid
Nach den Protesten
und Ausschreitungen im April und Mai dieses Jahres in Bangkok und einigen
Provinzen sind von Regierungsseite Bestrebungen im Gange, so etwas wie eine
Wiederversöhnung in der gespaltenen Gesellschaft Thailands herzustellen. Der Weg,
um dieses Ziel zu erreichen, ist ohne Zweifel hart und steinig. Das Ziel kann
nur erreicht werden, wenn alle Gesellschaftsschichten ernsthaft bemüht sind, es
auch zu erreichen. Bisher sind leider kaum Anzeichen dafür zu entdecken.
Dass es zu
dieser gesellschaftlichen Spaltung gekommen ist, liegt hauptsächlich
in der Geschichte Thailands begründet. Thailands Wandel von einem
Feudalsystem zu einer demokratischen Gesellschaft nach westlichem
Vorbild ging langsam voran und ist keinesfalls abgeschlossen.
Hierarisches Denken und selbst auferlegter Untertanengeist sind tief
verwurzelt; das Patronagesystem besteht weiterhin.
Ein Großteil
der Bevölkerung, vor allem im Nordosten und Osten Thailands, fühlt
sich von den Entscheidungsprozessen in Politik und Wirtschaft
ausgeschlossen. Diese Landbevölkerung ist der Meinung, sie sei
benachteiligt. Doch bei den Demonstrationen kam nicht klar zum
Ausdruck, was das eigentliche Anliegen war. Gab es etwa Forderungen
nach besserer Schulbildung, Gesundheitsversorgung, nach Stärkung der
Bürgerrechte und mehr Freiheit? Kaum! Aber Forderungen nach
Subventionen und staatlich festgelegte Preisen für
landwirtschaftliche Produkte sind äußerst populär.
Diese Dinge
helfen den Leuten, es sich bequem zu machen und den Staat für sie
sorgen zu lassen, ohne dass sie selbst etwas dazu beisteuern müssten.
Die populistische Aktion der Regierung Thaksin, „Eine Million Baht
für jedes Dorf“ hat nichts weiter gebracht als die Anschaffung von
Motorrädern, der Spielsucht zu frönen oder dem Alkohol zuzusprechen.
Investitionen in die Zukunft wurden nicht getätigt.
Nett gemeinte
staatliche Eingriffe tragen nicht dazu bei, die
Einkommensunterschiede zwischen Stadt und Land anzugleichen. Die
betroffenen Menschen müssen selbst etwas dazu beitragen. Viele
denken nur an das Heute, das Morgen kommt ihnen nicht so sehr in den
Sinn. Diese seit Jahrhunderten manifestierte Geisteshaltung kann nur
durch Erziehung und Bildung beseitigt werden. Wie lange wird es
jedoch dauern, bis es Lehrer gibt, die in den Schulen diesen
Teufelskreis durchbrechen werden?
Wirft man
einen Blick auf die Politik, stellt man mit Erstaunen fest, dass die
so genannte Elite in Bangkok keinesfalls so einflussreich ist, wie
behauptet wird. Seit dem Ende der Militärherrschaft im Jahre 1988
stammten die Premierminister zum größten Teil aus der Provinz, ein
paar kamen aus Bangkok. Der einzige, der die so genannte Bangkoker
Elite mehr oder weniger repräsentiert, ist der derzeitige. Die
Provinzfürsten sind seit jeher sehr einflussreich, versuchen aber,
von ihren Tölpeleien abzulenken, indem sie alle Unannehmlichkeiten
den Politikern in Bangkok in die Schuhe schieben.
Diejenigen,
die heute so laut schreien, sie seien benachteiligt, sollten zuerst
einmal in sich gehen und danach fragen, inwieweit sie selbst daran
schuld sind, und erst dann mit dem Finger auf andere zeigen.