Die Diskussion muss ehrlich geführt werden

Franz Schmid

Die Entdeckung von über 2.000 Föten in einem Tempel in Bangkok hat nicht nur in Thailand Entsetzen ausgelöst. Die Föten stammen offenbar aus illegalen Abtreibungskliniken. Abtreibungen in Thailand sind nur dann erlaubt, wenn die Frau vergewaltigt wurde, die Schwangerschaft ihre Gesundheit gefährdet oder das Kind nicht normal entwickelt ist. Leider ist Abtreibung in Thailand ein Tabuthema, was vor allem aus religiösem Hintergrund herrührt.

Die Polizei ist dabei, Hinweisen über illegale Abtreibungen nachzugehen, ist jedoch überfordert, da es allein in Bangkok 4.000 medizinische Kliniken und über 10.000 im ganzen Land gibt, die durchsucht werden müssten. Die Regierung steht auf dem Standpunkt, dass die bestehenden Gesetze ausreichen, allerdings müsste mehr getan werden, um illegale Abtreibungen zu verhindern.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass aufgrund der verbesserten Ernährungsweise im letzten Jahrzehnt Mädchen im Alter von acht bis neun Jahren ihre erste Menstruation haben. Das heißt, der Zeitpunkt der Pubertät und Geschlechtsreife rückt in immer frühere Jahre. Dem muss Rechnung getragen werden, in den Schulen und in der Gesellschaft im Allgemeinen.

Schwangerschaften von Mädchen, die noch die Schule besuchen, sind in der thailändischen Gesellschaft unakzeptabel. Einige Parlamentarier hatten vor geraumer Zeit vorgeschlagen, diesen Mädchen eine gesetzlich eingeräumte „Auszeit“ zu geben, damit sie nach der Geburt des Kindes ihre schulische Ausbildung fortsetzen könnten. Das hat zu heftigen Protesten geführt, wobei man in den Raum stellte, eine solche Regelung wäre ein Freibrief für vorehelichen Geschlechtsverkehr. Die Kritiker haben nicht erkannt, dass diese Mädchen sich für ein Kind entschieden haben und nicht den Weg einer illegalen Abtreibung gegangen sind. Statt sie zu diskriminieren, sollte man ihnen ein Leben in gesellschaftlicher Achtung gönnen. Illegale Abtreibungen werden in Thailand wie auch anderswo aus gesellschaftlichen Zwängen vorgenommen (Schande für die Familie, wirtschaftliche Not).

Ungewollte Schwangerschaften sind ein Problem der gesamten Gesellschaft. Man sollte es nicht nur den Betroffenen überlassen, wie sie damit umgehen. Der Staat hat da eine Fürsorgepflicht, und die fängt in den Schulen an. Der Unterricht in Sexualerziehung sollte gesetzlich in allen Schulen vorgeschrieben werden und dem Alter der Schülerinnen und Schüler gemäß auch anschaulich gestaltet sein. Aufklärung ist auch hier das beste Mittel, um ungewollte Schwangerschaften zu verhüten. Der Staat sollte schwangere Frauen ermuntern, ihr Kind auch auszutragen, wenn es nicht gewollt ist, und dies mit finanziellen Mitteln unterstützen. Das Klischee, junge unverheiratete Frauen, die schwanger werden, führen ein „sündiges“ Leben, gehört in die Mottenkiste der Moralvorstellungen.

Die Diskussion über Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch muss ehrlich geführt werden. Lösungen sind gefordert, die verhindern, dass weitere Tausende von Föten sinnlos sterben müssen.