Darf man in Thailand nicht bremsen?

Franz Schmid

Einer Bekannten von mir ist kürzlich folgendes passiert: sie fuhr die Beach Road entlang. Da starker Stau war, kam sie nur im Schritttempo vorwärts. Plötzlich erblickte sie vor sich eine Taube, die, entweder durch die Auspuffgase halb ohnmächtig war oder angefahren worden war, sich am Boden wälzen. Meine Bekannte ist sehr tierlieb und bringt nicht einmal Moskitos um, daher bremste sie um das Tier nicht auch noch zu überfahren. Bums, machte es und ein Baht-Taxi war ihr hinten drauf gefahren. Der Fahrer wollte nicht halten und stand bereits neben ihr (also nicht mehr hinter ihr) als es ihr gelang, sich ihm in den Weg zu stellen und er notgedrungen halten musste. Bevor sie noch etwas sagen konnte, schrie er sie schon an, warum sie denn gebremst habe, das sei verboten(!).

Wie bitte, meinte meine Bekannte? Bremsen sei verboten? In jedem Land dieser Erde hat immer derjenige schuld, der seinem Vordermann drauf fährt, wenn dieser aus irgendwelchen Gründen bremst. Sie sagte, dass ein Tier auf der Straße gelegen habe, das sie nicht überfahren wollte. Daraufhin schimpfte der primitiv aussehende Fahrer noch mehr und der Beifahrer, ein arabisch aussehender Mann, mischte sich ebenfalls ein und sagte „Ach so, nur ein Tier, wie kann man da nur bremsen. Die gehören ja sowieso weg“. Er meinte auch, dass die Frau jetzt Abfindung bezahlen müsse, weil ja doch das Taxi des Mannes beschädigt wäre. Ein mitfahrender Gast, der hinten oben saß und alles beobachtet hatte, mischte sich „lieber nicht“ ein.

Als meine Bekannte mit der Polizei drohte, sagte der Araber, dass sie als Zeugen in der Überzahl wären, das Taxi außerdem nicht mehr hinter ihrem Auto stünde und überhaupt er sie jetzt verprügeln würde, wenn sie nicht gleich ihr Maul halten würde. Dann legte der Taxifahrer, dessen Taxi übrigens die Nummer 667 trägt, den Gang ein und fuhr auf Farangs schimpfend davon, da sich der Stau wie durch ein Wunder aufgelöst hatte.

Dass Thailänder (oder auch der freche Araber) die Gesetze nicht kennen, mit dem hat sich meine Bekannte bereits seit vielen Jahren abgefunden. Dass man hier in diesem gesegneten Land nicht bremsen darf, war ihr zwar neu, aber da sie ja nur eine Farang ist, werden die großmächtigen Herrn dieses Landes, die überaus klugen Thais, dies schon besser wissen.

Mit all dem kann man leben, sagte sie mir. Aber es trieb ihr Tränen in die Augen, als diese beiden Männer so über „nur“ ein Tier redeten. Auch Tiere haben Seelen, auch Vögel verspüren Schmerzen. Wie verroht muss ein Mensch sein, den so etwas kalt lässt? Man könnte sich gut vorstellen, dass diese Art Menschen auch dem Schmerz von Menschen oder gar von Kindern gegenüber gleichgültig bleibt. Man könnte sich vorstellen, dass solche Menschen sogar fähig wären, mit dem Leben und der Gesundheit von Menschen oder Kindern Geld zu verdienen. Alles egal, Hauptsache, man selbst ist gut dran! Oder?

Denjenigen Leuten, die vielleicht nun Antwortbriefe schreiben und sagen, dass, wenn einem was hier nicht passt, man doch zurück ins eigene Land solle, sei gesagt, dass es für sie selbst vielleicht besser wäre, wieder ins eigene Land zu gehen, um wieder etwas mehr Verstand zu bekommen und wieder etwas mehr Menschlichkeit.