Wie kann man eine
Schuldfrage beantworten?
Franz Schmid
Kürzlich las ich wieder mal etwas über den Kapitän
der ‚Costa Concordia’, der sein Schiff im Januar 2012 vor der
italienischen Insel Giglio auf einen Felsen fuhr und dadurch 32 Menschen
in den Tod trieb. Er muss sich seit Juli dieses Jahres als einziger
Angeklagter vor Gericht verantworten. Ihm werden unter anderem
fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen.
Hier in Pattaya hat man den Kapitän der Fähre ‚Koh Larn Travel 1’ in
Gewahrsam genommen. Er hatte sein Schiff unter Einfluss von Alkohol und
Drogen ebenfalls auf Felsen gefahren, nachdem es technische Probleme an
Bord gab. Bei diesem Unglück kamen am Ende 7 Menschen ums Leben. Nun
warten natürlich alle gespannt auf die Anklage gegen ihn und
insbesondere natürlich auf die konkreten Anklagepunkte. In Europa wären
das mit Sicherheit wie bei seinem italienischen Kollegen fahrlässige
Tötung und Körperverletzung. Aber ob das auch hier in Thailand so ist?
Wir wissen ja bereits, hier ticken die Uhren anders.
Aber wie ist eigentlich tatsächlich die Schuldfrage zu beantworten? Am
Ende der Kausalkette steht meistens immer nur eine Person – hier der
Kapitän. Gibt es aber nicht viele andere Menschen oder Einrichtungen,
die ebenso Schuld an irgendwelchen Unfällen oder Unglücken tragen. Im
Fall des Fährunglücks ist nach dem Kapitän natürlich das Fährunternehmen
und der Schiffseigentümer das nächste Glied in der Kette der Schuldigen.
Dort hat man mit Sicherheit auch einige Dinge versäumt insbesondere bei
der Wahrnehmung der Kontrollfunktion und zur Gewährleistung der
Sicherheit auf den Schiffen. Weiter spannt sich der Bogen bis hin in die
Stadtverwaltung, wo man nicht streng genug die Durchsetzung der
bestehenden Maßnahmen zur Sicherheit der Bürger und ganz besonders der
Touristen gefordert und kontrolliert hat. Auch könnte man die Regierung
fragen, ob die gesetzlichen Grundlagen ausreichend sind.
Wenn man nun etwas sarkastisch sein will, kann man die Schuldfrage noch
weiter ausdehnen. Denn man könnte auch die Leute ins Spiel bringen, die
eigentlich das ganze Treiben in Pattaya mitverschuldet haben – die
Amerikaner. Wären diese nicht während des Vietnamkrieges hier
eingefallen, wäre Pattaya noch das verschlafene Fischerdorf und keine
Fähre nach Koh Larn wäre mit Touristen überladen. Natürlich trägt auch
Herr Gorbatschow mit seiner Perestroika eine Mitschuld, denn dadurch ist
es den Russen erst möglich geworden, in die Welt und natürlich auch nach
Pattaya zu kommen. Aber nach Thai-Logik könnten allerdings auch die
Touristen selbst schuld sein. Warum bleiben sie nicht am schönen Strand
in Pattaya und setzen sich stattdessen bewusst der Gefahr aus, mit einem
Boot unterzugehen? Die Fährbetreiber haben noch ganz andere Schuldige
für das Unglück gefunden: den Felsen! Und die Reporter, die alles falsch
geschildert haben, da kein Einziger zu viel auf der Fähre war, die
ausreichende Menge an Schwimmwesten nicht rechtzeitig gefunden wurde und
der Kaptitän – abgesehen von Drogen und Alkohol – doch gar nichts falsch
gemacht hat!
Mit dem nächsten Schuldigen werde ich sicherlich wieder einige Personen
auf den Plan rufen. Wenn der große Schöpfer nämlich alles belassen hätte
wie es seinerzeit war und keine Menschen geschaffen hätte, wäre es mit
Sicherheit ruhig und friedlich auf dieser Welt.
Nun müssen wir abwarten, welche Kausalkette die thailändischen Richter
für ihren Schuldspruch finden.
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