Zeitzeugen: Flugkapitän Erich Warsitz – der erste Düsenflugzeugpilot der Welt

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75 Jahre sind vergangen, als die Geschichte des Raketen- und Düsenzeitalters in Kummersdorf, Neuhardenberg, Rostock-Marienehe und Peenemünde ihren Ursprung nahm! Mit dieser Zeit sind Namen wie Wernher von Braun, Hans Pabst von Ohain oder Ernst Heinkel verbunden – aber insbesondere auch Erich Warsitz, der sich wagemutig in die neu konstruierten Flugzeuge setzte und sie flog. Mein Vater hat unter Einsatz seines Lebens neue, die gesamte Flugtechnik umwälzende Antriebsaggregate erprobt – er steuerte als erster Mensch ein Flüssigkeits-Raketenflugzeug, nämlich die Heinkel He 176, und ein Düsenflugzeug, die Heinkel He 178, was allerdings die Wenigsten wissen – und hat die Voraussetzungen mitgeschaffen, die es der heutigen Flugtechnik erlauben, Zeit und Raum zu überbrücken.

Erich Warsitz – der erste Düsenflugzeug-Pilot der Welt.
Erich Warsitz – der erste Düsenflugzeug-Pilot der Welt.

Am 18. Oktober 1906, wurde Erich Warsitz in Hattingen an der Ruhr geboren. In der Volksschule machten sich seine ersten Veranlagungen Flugzeugen gegenüber bemerkbar, weil er weniger dem Unterricht Aufmerksamkeit schenkte, als Papierflugzeuge zu basteln. Auch Jahre später waren Motoren jeglicher Art seine größte Leidenschaft. Neben seiner praktischen Ausbildung und seinem technischen Studium, begann seine fliegerische Ausbildung als Sportflieger für den A2-Schein bei der Akademischen Fliegergruppe Bonn/Hangelar. Darauf folgten die B1- und B2-Ausbildungen bei den damaligen Luftsportvereinen und eine weitere fliegerische Ausbildung bei der Deutschen Verkehrsfliegerschule Stettin (DVS), die C2-Ausbildung für Landflugzeuge und für die „gewerbsmäßige Personenbeförderung“ sowie sämtliche Seeflugscheine. Zwischendurch machte er den großen Kunstflugschein K 2 und absolvierte die Blindflug-Ausbildung sowie das Steuermannspatent für „kleine Fahrt“. Er arbeitete als Sportflugzeuglehrer und später Fluglehrer, Gruppenfluglehrer und Ausbildungsleiter bei der Reichsbahnstrecke. Ende 1936 wurde er vom Reichsluftfahrtministerium (RLM) dem später weltberühmten Weltraumforscher Wernher von Braun und Dr. Ernst Heinkel, einem der größten Flugzeugkonstrukteure seiner Zeit, zur Verfügung gestellt, weil er als einer der erfahrensten Testpiloten galt. In Rechlin, im Erprobungszentrum der deutschen Luftwaffe, arbeitete er als Einflieger und Erprobungsflieger auf allen Flugzeug-Typen.

Nach Abschluss seiner Versuche mit einer flüssigkeitsbetriebene Raket, interessierte Wernher von Braun nun auch, wie sich sein Triebwerk in einem Flugzeug verhalten würde. Dr. Ernst Heinkel, einer der größten Flugzeugkonstrukteure jener Zeit sagte seine Unterstützung zu und stellte von Braun für die Standversuche einen Bruchrumpf der He 112 zur Verfügung. Ende 1936 blies das Triebwerk bei einem Standversuch aus dem Rumpfende einen ungeheuren Feuerschweif aus und erzeugte dadurch den Rückstoß, den sogenannten Schub. Nun kam Erich Warsitz als Testpilot an die Reihe. Für die spätere Lufterprobung stellte Heinkel ebenfalls eine flugklare He 112 zur Verfügung, die mit einem zusätzlichen Triebwerk ausgetattet war. Das RLM gab dafür ein Feld frei, welches etwa siebzig Kilometer östlich von Berlin lag und als Einsatzhafen für einen Kriegsfall vorgesehen war. Dort wurden weitere Versuche duchgeführt. Auf dem Flugplatz Neuhardenberg, hundert Kilometer östlich von Berlin, ist Erich mit diesem Ding zum ersten Mal gestartet. Das sollte aber nur der Anfang sein. Derselbe Raketenantrieb und ein weiterer, von der Firma Walter in Kiel entwickelt, wurden später in ein kleines Flugzeug eingebaut, nämlich die Heinkel 176, die im Gegensatz zur 112 keinen Propellermotor mehr vorne besaß, sondern ausschließlich mit Raketenantrieb flog. Der berühmte Flieger General Ernst Udet, verbot, nachdem er einen Kurzflug mit Erich gesehen hatte, diesem das Dingnoch einmal zu fliegen.

Aber Erich Warsitz, der durch die Kurzflüge die Eigenarten und Tücken der Heinkel He 176 zu kennen glaubte, legte am Spätabend des 20. Juni 1939 spontan den ersten richtigen Flug fest. Erich Warsitz erinnerte sich: „Bei ungefähr 300 km/h, kurz vor dem Abheben, brach die Maschine links aus. Die linke Fläche berührte den Boden. Ich wollte diesen Flug aber auf Biegen und Brechen hinter mich bringen, ließ das Gas drin und weit aus der Startrichtung raus hob sie dann mit einem Satz ab. Es war ein erhebendes Gefühl, fast geräuschlos mit 800 km/h die Nordspitze der Insel Usedom zu umfliegen. Zeit für fliegerische Versuche blieb mir nicht, denn schon musste ich mich auf die Landung konzentrieren. Ich drückte, huschte im Nu über die Peene und ging mit 500 km/h an den Boden. Die Platzgrenze war erreicht und nach mehreren Sprüngen rollte die Maschine aus!“

Trotz des Erfolgs mit dem Raketenflugzeug, der He 176, erhielt Heinkel nicht mehr die nötige Unterstützung, der Zweite Weltkrieg stand vor der Tür.

Der zweite Flug der He 178 stand auch bevor. Heinkel selbst und seine Mitarbeiter hatten erkannt, dass nicht dem Raketen- sondern dem Düsenflugzeug wegen seiner längeren Flugzeit und größeren Betriebssicherheit die Zukunft gehörte. Am 27. August 1939 – nur wenige Tage vor Kriegsausbruch war es so weit und die Maschine wurde gestartet. Nach zwei Runden in der Luft setzte Erich Warsitz zur Landung an. Ganz gehorsam reagierte die Turbine auf seinen Gashebel. Kurz über dem Boden brachte er die Maschine in die richtige Fluglage, machte eine wunderbare Landung und kam kurz vor der Warnow, vor dem Wasser, zum Stehen. Der erste Düsenflug der Welt war restlos gelungen!

Der zweite Weltkrieg wurde von den Deutschen verloren und nach Kriegsende wurde Erich Warsitz von vier russischen Offizieren in der Nacht vom 5. zum 6. Dezember 1945 um drei Uhr aus seiner im amerikanischen Sektor gelegenen Wohnung entführt. Bei den unzähligen Verhören lag der Schwerpunkt bei seiner früheren Tätigkeit auf dem Gebiet der Raketen- und Düsenflugzeugentwicklungen im Oberkommando des Heeres und RLM, in Peenemünde und den Heinkel-Werken. Nachdem er die Vertragsunterschrift verweigerte, wonach er sich zu fünfjähriger Mitarbeit an der russischen Entwicklung auf diesem Spezialgebiet verpflichten sollte, wurde er zu fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeit verurteilt und in das berüchtigte Straflager 7525/13 nach Sibirien gebracht.

Er überlebte und nach seiner Rückkehr im Jahre 1950 betätigte er sich zunächst als selbständiger Unternehmer, bis er sich 1965 – wie man so sagt – „aufs Altenteil“ setzte.

Erich Warsitz starb im Alter von 76 Jahren am 12. Juli 1983 in Barbengo/Schweiz an einem Gehirnschlag.

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