Wie kann ein Mann seinen 50igsten Geburtstag am besten begehen?

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Diese Frage hatte ich mir schon Monate vor dem Ereignis gestellt und auch von Freunden und Bekannten so einige Vorschläge erhalten: Ich könnte Hundert oder Zweihundert Gäste einladen und ein Riesenfest veranstalten, von dem man noch lange spricht. Aber letztlich dienen solche Partys doch eher dazu, Leute zu beeindrucken die man kaum kennt und möglicherweise noch weniger mag.

Ich könnte meine zwanzig besten Freunde einladen und dazu vierzig hübsche Mädchen und eine rauschende Privatparty feiern. Aber das ist wohl nur eine weit überbewertete Männerfantasie. Und sollte man gerade mit 50, wo bereits mehr Jahre hinter einem liegen als vor einem, nicht bereits eine Reife erreicht haben, wo man es weder nötig hat zu protzen noch irgendwelchen pubertären Fantasien nachzugehen? Mal ganz abgesehen davon, dass wohl kaum einer wirklich 20 echte Freunde hat – ich meine ECHTE Freunde und nicht irgendwelche Kumpel – vor allem in Pattaya.

 Was also tun?

Also beschloss ich anlässlich meines runden Geburtstages für 50 bedürftige Kinder die gesamten Ausbildungskosten zu tragen.

Nun ist Wohltätigkeit immer und ausnahmslos eine tolle Sache und steht über jeglicher Kritik, allerdings beschlich mich bei meinen Recherchen das Gefühl, dass die Schulen und Waisenhäuser in und um Pattaya recht gut versorgt sind. Das ist nur allzu verständlich. In Pattaya gibt es viele hilfsbereite Menschen, die jedoch meist schon älter sind und für die daher eine weite Reise eher beschwerlich ist.

Das Begrüßungsfoto mit Lehrern, Schuldirektor (5. von rechts stehend) und Bürgermeister (3. von rechts stehend). Rechts neben Dr. Ramin (Mitte) steht der Hausmeister, der bereits am Morgen „gut gelaunt“ war.
Das Begrüßungsfoto mit Lehrern, Schuldirektor (5. von rechts stehend) und Bürgermeister (3. von rechts stehend). Rechts neben Dr. Ramin (Mitte) steht der Hausmeister, der bereits am Morgen „gut gelaunt“ war.

Bekannte fanden daher für mich eine kleine Schule in Sawan Daeng Din, einem kleinen Ort zwischen Udon Thani und Sakhon Nakhon und informierten den Schuldirektor über mein Anliegen. Dieser war sehr erfreut und suchte gemeinsam mit einigen Lehrern die 50 Schüler aus, die meine Hilfe am nötigsten hatten und traf alle Vorbereitungen. So wusste ich, dass der Schulunterricht zwar kostenlos ist, aber die Kosten für Schuluniform, Schuhe, Hefte, Verköstigung, Unterrichtsmaterial etc. von den Eltern selber getragen werden müssen. Dafür jährlich einige Tausend Baht zusammen zu bekommen, ist für viele sehr schwierig.

Der Schulbesuch

Ich legte den Besuchstermin in die Sonkranwoche, da meine Praxis zu dieser Zeit ohnehin geschlossen ist und ich zudem das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, soll heißen meine Charity Veranstaltung abhalten und gleichzeitig dem Wasserschlacht-Wahnsinn entkommen konnte.

Ich hatte angenommen, dass ich in der Schule in einen Klassenraum geführt werde, wo ich den ausgesuchten Schülern das Geld übergebe und nach einigen „Khop Khun Khraps“ wieder gehen darf – weit gefehlt!

Die sechs jungen Tänzerinnen zeigten hübsche Tänze.
Die sechs jungen Tänzerinnen zeigten hübsche Tänze.

Schon bei der Anfahrt auf das Schulgelände bemerkte ich das große Begrüßungsschild und kaum war ich ausgestiegen, wurde ich von einer Delegation Lehrer empfangen. Ich wusste kaum wie mir geschah, da hatte man mir bereits eine Blumenkette um den Hals gelegt und das typische Isan Tuch um die Hüfte gebunden und mich zwecks Gruppenfoto vor das Schild geschoben.

Im Innenbereich waren weit über Hundert Leute, die bereits brav auf Plastikstühlen Platz genommen hatten und mehr oder minder heimlich nach dem seltsam aussehenden Farang schielten.

Hinten hatte man eine Bühne aufgebaut, hinter der eine weitere große Informationstafel angebracht war, die auf die Veranstaltung aufmerksam machte. Als erstes durfte ich neben Schuldirektor und Bürgermeister rechts neben der Bühne Platz nehmen. Dann erschienen 6 traditionell gekleidete junge Damen, die Isan Tänze aufführten, während der Hausmeister sich heimlich im Hintergrund unauffällig an die Spirituosen heranschlich.

Schließlich war es dann soweit. Die Kinder stellten sich in zuvor festgelegter Reihe auf und ich durfte jedem einzelnen Kind ein Kuvert mit Geld überreichen, nachdem es namentlich aufgerufen wurde. Anschließend sollte ich noch eine Rede halten, die aufgrund dessen, dass mir vorher natürlich niemand etwas davon gesagt hatte, peinlich kurz ausfiel. Danach gab es noch ein Gruppenfoto mit allen Kindern (Pic 6) und da Thais bekannterweise alles andere als fotoscheu sind, wollten alle Lehrer und einige Eltern natürlich auch mit aufs Bild. Mittlerweile war es Mittag geworden und meine Bekannten hatten sich um Essen und Trinken für alle Anwesenden gekümmert.

Und während die Kinder es gar nicht erwarten konnten aufzuessen, um sich auf den extra bestellten Eiswagen zu stürzen, hatte den bereits ordentlich angetrunkenen Hausmeister jedwede Scheu verloren und gab einen Isan Song nach dem anderen zum Besten.

Das „echte“ Songkran-Fest

Ich dachte, dass nun alles vorbei sei, aber ich sollte mich erneut irren, denn der Schuldirektor bat mich vorne auf der Bühne neben ihm Platz zu nehmen, während man auf den Tisch vor uns eine große Schale mit Wasser und duftenden gelben Blütenblättern aufstellte.

Dann bildete sich erneut eine Schlange, nur das sich diesmal wirklich alle Anwesenden, also Schüler, Eltern, Lehrer, usw. anstellten, um uns beiden mit kleinen Schälchen Wasser aus der großen Schale über die rechte Hand zu träufeln und uns Dinge wie Glück, Gesundheit und Erfolg zu wünschen, während wir mit der linken freien Hand einen Wai machten.

Ich fragte den Direktor leise, was es damit auf sich habe. Er sagte, das ist Sonkran. Ich sagte, dass ich dies zwar wisse aber dass in dieser Zeit in Pattaya bürgerkriegsähnliche Zuständen herrschen. Er lächelte wissend und sagte, dass das nichts mit Sonkran zu tun habe sondern dass das das echte Sonkranfest wie hier begangen wird.

Aufklärung ist nötig

Am nächsten Tag besuchte ich einige der Kinder zu Hause und spätesten dann wurde mir klar, dass ich das Richtige getan hatte: Die meisten Kinder dort leben in einer Armut und in Verhältnissen, die man sich nicht vorstellen kann.

Am meisten getroffen hat mich das Schicksal der zwölfjährigen Kathai. Sie saß bei der Veranstaltung meist still und einsam in einer Ecke und niemand beachtete sie. Sie hat ihre Mutter vor Jahren durch eine Krankheit verloren und muss nun nach der Schule ihren schwerkranken Vater pflegen. Auch in oder nach der Schule hat sie nicht viel Freude, da niemand neben ihr sitzen oder mit ihr spielen will. Die Eltern der anderen Kinder verbieten das, denn Kathai hat HIV – ebenso wie es ihre Mutter hatte und ihr Vater daran leidet. Medikamente können sie sich nicht leisten.

Das zu hören, machte mich sehr betroffen. Aber was sollte ich tun? Den Kindern und Eltern einen Vortrag über die Übertragungswege von HIV Viren zu halten oder in Kürze andere Aufklärung zu betreiben – war wohl kaum möglich.

Also bat ich Kathai zu mir zu kommen. Anfangs zögerte sie, aber als der Direktor sie aufforderte, meiner Bitte Folge zu leisten, kam sie unsicher zu mir. Ich bat sie, mir ein Glas kaltes Wasser zu bringen, was sie auch umgehend tat. Viele der anderen Kinder und auch Eltern blickten bereits neugierig in unsere Richtung, um zu sehen, was es damit auf sich hatte. Als Kathai mir das Glas reichte, forderte ich sie auf, zuerst zu trinken, aber sie blickte mich nur fragend an. Der Direktor nickte ihr zu und zaghaft trank sie etwas von dem Wasser. Dann nahm ich das Glas, hob es hoch, dass es auch jeder sehen konnte und trank es zum Erstaunen aller Anwesenden ganz aus. Sie hatten sich von dem Schreck noch nicht erholt, als ich mich zu Kathai runterbeugte und sie kurz an mich drückte, um mich dann wieder zu erheben und allen zu sagen „Seht ihr, das ist absolut ungefährlich, dadurch kann man sich nicht anstecken!“ Ich kann nur hoffen, dass sie es auch verstanden haben.

Nun zurück zu Anfangsfrage, wie eine Mann seinen 50igsten Geburtstag begehen sollte. Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was ich Ihnen dazu raten soll, aber ich weiß schon ziemlich genau, wo ich an meinem 51igsten sein werde.

Dr. Ramin übergibt hier einem kleinen Mädchen das Schulgeld. Insgesamt machte er dies 50 Mal.
Dr. Ramin übergibt hier einem kleinen Mädchen das Schulgeld. Insgesamt machte er dies 50 Mal.
Dr. Ramin (hinten Mitte) mit „seinen“ Kindern, deren Eltern und Lehrern beim Gruppenbild.
Dr. Ramin (hinten Mitte) mit „seinen“ Kindern, deren Eltern und Lehrern beim Gruppenbild.
Blütenwasser wird über die Hände von dem Schuldirektor (Vordergrund) und Dr. Ramin  gegossen.
Blütenwasser wird über die Hände von dem Schuldirektor (Vordergrund) und Dr. Ramin gegossen.
Dr. Ramin bei seiner Ansprache, in der er auch erklären will, dass man keine Angst vor HIV haben muss, wenn man mit einem infizierten Kind spielt, sitzt und isst.
Dr. Ramin bei seiner Ansprache, in der er auch erklären will, dass man keine Angst vor HIV haben muss, wenn man mit einem infizierten Kind spielt, sitzt und isst.
Eine der typischen Hütten, in denen die Kinder mit ihren Eltern hausen.
Eine der typischen Hütten, in denen die Kinder mit ihren Eltern hausen.

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Erst das Essen – dann die Eiscreme.
Erst das Essen – dann die Eiscreme.

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